Konichiwa Fuji-San . . .
- Ingo

- 10. Aug.
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Aug.
Depesche 23 - 09.08.2025 - Von Hamamatsu nach Heda Port

Es hat sich tatsächlich etwas abgekühlt oder vielmehr sorgt die leichte Brise vom Pazifik für ein angenehmeres Klima. Wird sind trotzdem etwas gerädert, denn in der vergangenen Nacht haben sich alle Bolidenbesitzer - Sportwagen, wie Sportbike - an der Roadstation Hamamatsu getroffen. Dabei ist es wichtig, lautstark die Motoren im Standgas hochzudrehen. Drehzahl ist kein Geheimnis, kann jeder hören - ob er will, oder nicht! Überall brummt es, wummert es oder knattern alte Harleys im Bluestakt. Doch die Japaner sind super diszipliniert und um 22:30 Uhr dampfen alle unter lautestem Getöse ab. Zurück bleiben die Wochenendausflügler, die gleichermaßen mit uns den Ocean-Carpark bevölkern. Inzwischen haben wir rausgefunden, dass das dauerhafte Laufenlassen des Motors - damit die Klimsi geht - eigentlich an jeder Roadstation verboten ist, doch daran hält sich eben niemand - niemand außer uns. Diese Roadstation ist ziemlich beliebt und daher ist es morgens, als ich um halb 7 verknittert rausschaue, schon ziemlich voll. Man steht jetzt bereits Schlange vor dem Local Market. Außerdem ist ein erhöhtes Reisebusaufkommen spürbar. Dieses Wochenende haben in Japan die Ferien angefangen, was auch noch zum Verkehr hinzukommt. Als wir am Abend zuvor am Strand waren, war da keine Menschenseele. Unsere Freundin Vera schrieb, „wir sollten froh sein über die menschenleeren Strände, denn offenkundig scheinen die Japaner gerade mehrheitlich in der Schweiz zu sein“, was soll ich sagen?

Wir schließen den Bulli ab und begeben uns runter zum Strand, denn was wäre der Pazifikbesuch, ohne einen Sprung ins kühle Nass. Inzwischen ist der Strand voller Surfer und unten angekommen, entdecke ich ein Schild neben den Duschen, der die Strandbesuchszeiten von 09 Uhr bis 17 Uhr ausweist. Nicht, dass es hier einen Life Guard geben würde, aber anscheinend reicht in Japan ein Schild, dass der Strand nach 17 Uhr geschlossen ist und keiner geht danach auch tatsächlich an den Strand. Verrückte Welt, würde bei uns niemanden interessieren. Hier schon, ausser vielleicht das Laufenlassen des Motors zur Schwitzvermeidung! Wer weiß das schon . . . So springe ich am frühen Morgen in den Pazifik, der mit kleinen, aber sehr regelmäßigen Wellen aufwarten kann. Erfrischend allemal, doch kommt diese zu spät, denn es wird wohl nicht wärmer als 28-29 Grad werden. Wir duschen für 200 Yen pro Nase und anschließend geht es ab auf die 1, Richtung Tokyo. Südlich von Tokyo liegt die Halbinsel Izu, die wir umrunden wollen und, falls das Wetter mitspielt, werden wir dort wohl noch einen Strandtag einlegen. Falls wir überhaupt Quartier bekommen an diesem ersten Ferienwochenende. Das können wir nicht einschätzen. Bisher haben wir super Glück gehabt mit dem Wetter. Wenn auch sehr heiß und schwül, so hatten wir doch meistens Sonne und blauen Himmel. Da hatte ich im Vorfeld so gar nicht mit gerechnet, denn die Regenzeit ist ja nun nicht mehr das, was sie mal war. Aber heute morgen ist es ziemlich bleiern und je näher wir uns dem Konglomerat Yokohama-Tokyo nähern, um so grauer wird es und schwere Wolken verdunkeln den Himmel. Als die ersten Straßenschilder mit dem Hinweis „Fuji“ auftauchen sind wir erstaunt, denn keiner von uns hat den knapp 4000 Meter hohen Gipfel gesehen oder gar hinter den dichten Wolken vermutet. Wir durchfahren die Stadt Fuji, ohne irgendeinen Berg zu sehen. Allein die ganzen Läden am Straßenrand werben in irgendeiner Form mit dem prägnanten Profil von Japans Nationalberg. In Numazu verlassen wir die Route 1, denn wir müssen rechts ab, Richtung Süden. Kaum geht es südwärts, klart es auf und immer mehr blaue Felder werden am Himmel sichtbar.



Dann stolpern wir am Straßenrand über ein Lebkuchenhaus. Wir müssen beide derartig schmunzeln, dass wir fast das dazu gehörende Cafe übersehen hätten. Zum Drang der Japaner alles zu verniedlichen schreibe ich ein anderes Mal, versprochen, denn das ist wirklich ein paar Absätze wert. Wir kehren bei Granma´s Café ein. Ihr Geschäftslogo besteht aus einem Totenschädel mit Kochmütze und dahinter gekreuzten Küchengeräten. Außerdem verspricht die Logobeschriftung „Japanese Fine Sweets and Cafe“. Gut, muss erstmal nix heißen, kann ja auch eine hochwertige Matchabude mit Mochikugeln sein. Aber es entpuppt sich als ein richtiges Café mit Schokoladentörtchen, Erdbeer-Mouse-Tarts und etlichen anderen Kalorienbomben, die ich für den geneigten Leser extra abgelichtet habe. Wir bekommen sofort eisgekühltes stilles Wasser serviert und dazu mikrowellenerhitzte feuchte Handtücher, für Hände und Gesicht. Service ist alles, dass muss man einfach sagen. Granma wuselt überall herum, ist an jedem Tisch und stellt sofort die Taschenablage bereit. In Japan bekommt man im Café/Restaurant einen kleinen Ständer, die aussehen, wie bei uns so Zeitungsständer in den 70ern. Da kann man das seine Taschen reinstellen, dass sie nicht auf dem Boden stehen müssen. Wir sind halt in Japan und nicht in der teutonischen Servicewüste, so viel ist mal sicher. Das Damen- und Herrengedeck ist geschmacklich der Kracher und definitiv der beste Kuchen/Törtchen, was wir in ganz Japan gegessen haben. Dann tippt Granma auf meine Schulter und sagt, „Fuji, Fuji!“ Also gehe ich mit ihr auf die Terrasse und, tatsächlich erhebt sich die markante, kegelförmige Spitze des Fuji aus den Wolken. Ich verbeuge mich mit den Worten, „Konijiwa Fuji-san.“ Für eine kurze Sekunde ist Granma sprachlos, dann bricht sie in ein schallendes Gelächter aus, verbeugt sich mehrfach tief vor mir und wiederholt immer wieder, „Arigato go sai mas!“ „Herzlichen Dank“ im höchsten Sinne der Höflichkeit. Irgendwo habe ich gelesen, dass die westlichen Touristen




den Berg immer Mount Fuji oder Mount Fujiyama nennen. Doch die Respektbezeugung der Japaner für ihren göttlichen Berg ist schlichtweg Fuji-san. Das mein flapsig dauergesagter Satz bei ihr solch eine Begeisterung hervorruft, hätte ich nicht gedacht. Immer noch schallend lachend geht sie rein ins Café und Anni berichtet später, dass sie sich glucksend mit der Faust immer wieder klatschend in die hohle Handfläche „schlägt.“ Als ich von der Terrasse wieder ins Café reinkomme, gluckst sie immer noch in ihren Mundschutz. Vor dem Verlassen schreiben wir ihr in den Google Translator, dass ihr Kuchen, von allen Kuchen, die wir bisher schnabuliert haben, die absolute Krönung ist. Dann sind alle außer Rand und Band. Wir werden fotografiert, der japanische Text wird ebenfalls abfotografiert und überhaupt ist eine Herzlichkeit aufgekommen, die wir so in Japan noch nicht erlebt haben. Man ist eher distanziert und möchte sich nicht aufdrängen. Doch Granma gibt jetzt alles, Verbeugungen fliegen hin und her, sie redet ununterbrochen und man will uns kaum gehen lassen. Der Kuchen war wirklich das beste Süßzeugs, was wir hier bekommen haben . . . Das war nicht geschönt!



Inzwischen weht stetiger Wind die letzten Wolken hinfort, während frische, leicht salzhaltige Meerluft Einzug in unseren Bulli gehalten hat. Inzwischen fahren wir mal ohne Klimsi und mit offenen Fenstern. Das Licht wird weicher und kündigt die Goldene Stunde des Tages an, als wir in die Berge von Izu aufbrechen. Die Halbinsel liegt südwestlich von Tokyo und ist bis in die 70er Jahre eines der beliebtesten inländischen Urlaubsziele der Japaner gewesen. Mit den aufkommenden Billigflügen hat das nachgelassen, was man an die kleinen Hafenstädten ziemlich gut sehen kann. Izu ist überwiegend gebirgig und dort brodeln unterirdisch etliche Vulkane, die für die sehr hohe Anzahl an Thermalbädern verantwortlich sind. Aufgrund der ziemlich „durcheinander stehenden“ Berge auf Izu, gibt es eher nur wenige Straßen und die meisten folgen der gewundenen rauen Küstenlinie. Wir wollen in den kommenden zwei Tagen die Halbinsel umrunden und vielleicht irgendwo schwimmen und schnorcheln. Von Regen erst einmal keine Spur. Im Gegenteil, die angenehmen Temperaturen, die Meerbrise, die auch noch auf den höher liegenden Straßen Izus zu spüren ist, machen die gemütlich Fahrt durch die Berge zu einem überaus schönen Erlebnis. Die Berge an Izus Westküste fallen schräg ab und scheinen ohne „Strand“ in den Tiefen des grünen Pazifiks zu verschwinden. Steht man oben auf den Bergen und blickt in die Täler, hört man nur noch das laute Konzert der Zikaden und den Wind, der Zedernwälder und Bambushaine zum Rauschen bringt. Für die 30 Kilometer nehmen wir uns Zeit. Es ist kaum Verkehr und so gleiten wir dahin, bis zu einem kleinen Fischerdorf namens Heda Port. Dort gibt es einen Michi no eki an einem Onsen, der nur ein paar Minuten Fußmarsch vom Hafen entfernt ist.


Heda Port hat definitiv schon bessere Zeiten gesehen, so viel ist mal sicher. Etliche Hotels, also ich vermute mal, dass das früher mal Hotels waren, sind verrammelt und auch die Häuser des kleinen Örtchens machen nicht gerade den prosperierenden Eindruck, den wir bspw. in den großen Reisanbaugebieten um Kyoto und Osaka wahrgenommen haben. Eine kleine fischverarbeitende Fabrik liegt unmittelbar am Hafen, doch nur wenige Schiffe liegen in der sehr großen Naturbucht vor Anker. Das Wasser des Hafenbeckens ist klar bis auf den Grund und natürlich schwimmt kein bisschen Plastik im Wasser. Eine „Uferpromenade“ gibts nicht. Ein 7/11, zwei kleine Supermärkte und ein paar Fischrestaurants, die aber alle geschlossen sind, säumen die schwer betonierten Hafenanlagen. Japans Landmasse scheint sehr „jung“ zu sein, habe ich irgendwo gelesen und daher ist das Gestein eher weich, sodass bei jeglicher Art von Fluten immer Landmasse fortgespült wird. Daher hat die Bauindustrie Millionen von Betonoktaedern gegossen und diese werden universell rund um ganz Japan als Wellenbrecher und











Befestigungen verarbeitet. Nicht immer schön, so wegen Meeres- oder Hafenromantik, aber ungemein zweckdienlich. Natürlich gibt es auch Stimmen, die behaupten, das wäre nur Geldschacherei, denn die Baubranche scheint im hohen Maße von den Yakuzas unterwandert zu sein und somit fungieren die staatlichen Bauaufträge als exorbitante Geldwäscherei und -macherei. Kann ich nicht beurteilen, lasse ich mal so stehen. Im Supermarkt wird fangfrischer Gelbflossenthunfisch angeboten, in Shashimi-Qualität - also roh verzehrbar. Die 2 Kilometer bei mindestens 28 Grad sind für rohen Thunfisch vielleicht nicht so gut, doch es gibt auch große Eisbeutel, die unten im Rucksack ein ganz passables Gefrierfach machen. Nichts wie zurück zum Bulli und frischen Thunfisch genießen. Wahnsinn, was eine Wucht. Wer nicht so auf rohen Fisch steht, der kann das jetzt vielleicht nicht so nachvollziehen, aber das war essentechnisch ein derartig köstliches Abendessen. Dünn geschnitten, auf Eis gelegt und mit eingelegtem süßlichen Ingwer sowie einem Hauch Sojasoße serviert. Zwar auf unserem unprätentiösen Campinggestühl, doch fangfrischer Thunfisch, bleibt fangfrischer Thunfisch! Konbanwa folks!




