Japanischstunden für Anfänger . . .
- Ingo

- 16. Juli
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Juli
Depesche 01 - 16.07.2025 - Vor der Abreise - Deutschland
Sumimasen! Also - ich hoffe, dass das richtig geschrieben ist. Sumimasen! Heißt soviel wie, "Entschuldigen Sie bitte". Über die Aussprache will ich hier jetzt noch gar nicht nachdenken. So als universelle Entschuldigungsgeste eines Gaijins in Japan und so. Muss man drauf haben - ohne Frage. Je mehr ich mich mit diesem Land beschäftige, umso mehr treten die eigentlichen Ziele unserer Japan-Reise in den Hintergrund. Was soll ich sagen - anfangs waren da noch so Fragen wie, "Wo bekomme ich Tickets für die Expo?" oder "Fahren wir besser nach Nara oder Nagoya?" So belanglose Dinge wie traditionelle Teehäuser, Schwertschmieden und Sumo-Spektakel haben unsere Reiseplanungen überschattet. Doch spätestens nach einem Buch, dessen Ankauf Anni für unerlässlich hielt, ist es mit meiner, sonst doch sehr entspannten Reiselaune vorbei. Ich bin verunsischert. Jawohl. Und - das passiert mir eher selten. Sumimasen!

In wenigen Tagen geht es los und wir fliegen ins Land der aufgehenden Sonne. Vorbereitungen sind abgeschlossen, Tasche gepackt und harte Yen-Währung liegt unter dem Kopfkissen. Bereit. Lässig geplant und entspannt, wie immer, wenn wir nach Asien auf Tour gehen. Was soll ich sagen? Doch nun kommt hier das Buch ins Spiel - Der Fettnäpfchenführer Japan! Anni ist der Meinung, dass ich mich im Land der aufgehenden Sonne nicht so durchlawienern kann, wie ich es für gewöhnlich in Südostasien mache. Aha, so so? Also wird mir das o.a. Machwerk anvertraut und mit einem harten Blick auch dessen Studium erwartet. Nun gut - aufschlagen und Lektüre genießen. Die Struktur ist schnell erklärt. Die eingefleischten Japan-Pros, wie man heute so schön in Reisebloggerkreisen sagt, Kerstin und Andreas Fels, schicken einen imaginären teutonischen Geschäftsmann - Herrn Hoffmann - auf Geschäftsreise ins Land von Nippons Söhnen. Nach jedem, flott, humoristisch und sehr einprägsam geschriebenen Reiseabschnitt, folgt eine sachliche Erklärbox, weshalb Herr Hoffmann sich und seine Kultur aufs gröbste blamiert hat. Meine sonst so unerschütterliche Unerschütterlichkeit ist schwer erschüttert, so viel ist mal sicher. Was sich auf den ersten Seiten noch als harmlose und - meiner Meinung nach - auch noch liebenswerte germanische Charaktereigenschaft titulieren lässt, bringt Herrn Hoffmann vor Ort in kulturelle Zwangslagen, aus denen, ohne illustre Scotty-beam-me-up-Möglichkeiten, nur der lange und überaus qualvolle Blamagetod des Teutonen die Konsequenz sein kann. Aha, so so.
Das Buch ist natürlich äußerst empfehlenswert, keine Frage, denn die mitgelieferten Informations(über)lebenshilfen sind für einen ersten Japanbesuch unglaublich nützlich. Da wäre beispielsweise die nette Eigenart japanischer Gastgeber zu erwähnen, dass ein Gast immer in unmittelbarer Nähe des Ausganges platziert wird. Diese zuvorkommende Sitte scheint noch aus dem finsteren Samuraizeitalter zu stammen, wo schon mal bezahlte Mörder in die gemütlich-nachbarschaftliche Bierrunde platzten, um kunstvoll ihren Arbeitsauftrag umsetzen zu wollen. Da war man dann so als Gastgeber, wie natürlich auch als Aufgtragsmörder, scheinbar in einem moralisch-ethischen Dilemma. Was ist karma-technisch gewichtiger - elegant und kunstvoll im Familienkreis des Gastgebers mit enthauptet zu werden oder aber - aus Gründen der Gastfreundschaft - dem Gast ein Überleben durch Sitznähe am Ausgang zu ermöglichen. Fragen über Fragen des Orients! Aufrgrund dieser schönen, fernöstlich-philosophischen Dilemmalösung, scheint man heute Gäste immer noch so zu platzieren, dass sie dem Ausgang am nächsten sitzen. Eine nicht ganz unwichtige Information, wie ich finde. Ob wir tatsächlich in so einem Fall noch die Tür erreichen werden, wage ich zu bezeifeln. Schließlich sitzt man in Japan häufig auf dem Boden und wenn ich daran denke, eine gute Stunde oder gar länger im Schneidersitz auf einer ultraharten Tatamimatte zu hocken, werden wir vermutlich eher zur Seite kippen, als dynamisch aufzuspringen, in der Hoffnung dem 1,20m langen Katana eines traditionellen Profikillers zu entkommen. Der geneigte Leser sieht, das Buch hat schon seine reisetechnische Daseinsberechtigung.

Auch die Episode mit dem Besuch einer öffentlichen Toilette hat meine asiatisch geprägte Reiseselbstsicherheit doch etwas in seinen Grundfesten erschüttert. Nicht, dass wir nicht schon allerhand asiatische Thrönchen gesehen und auch bestiegen hätten (empfehle an dieser Stelle einige Burma-Depeschen), aber die sanitäre Multimedientechnik, die der WC-Kultur Japans innewohnt, erschüttert nicht nur Herrn Hoffmann. Ich schrecke des Nachts schweißgebadet auf und sehe (ja fühle es auch) derartig plastisch, wie Herr Hoffmann, während einer Meetingpause, seine graue Anzughose durch falsche Bedienung der Klotastatur vollkommen durchnässt. Was soll ich sagen. Am besten finde ich dann noch die Empfehlung des Autorenpaares, sich nichts anmerken zu lassen und einfach die Situation zu ignorieren, damit sich kein Einheimischer in eine peinliche Lage versetzt fühlt. Aha, soso. Man geht dann einfach, eine rohrbruchverdächtige Wasserspur durchs die Flure ziehend zurück und setzt sich - als wäre nichts passiert - mit seiner durchnässten Anzugbuxe auf den kunstledernen Konferenzsessel. Großartig - und ignoriert dabei noch die Plitsch-/ Platschgeräusche sowie auch das notorische Quietschgeräusch des hochmodernen Businessgestühls. Nicht schlecht - das nenne ich Contenance.

Man darf sehr gespannt sein, wirklich! Aber, das wichtigste Wort haben wir schon gelernt - Sumimasen - "Entschuldigen Sie!" Gilt universell, für (fast) alles! Seit Wochen versuche in meinem, von zunehmender Vergreisung und zu viel Kaffee geplagten Hirn, Festplattenkapazitäten für den verbalen japanischen Alltag zu finden. Also habe ich während der normalen Hausmännerei begonnen, mir, einem Pennäler der 6. Klasse gleich, verschiedenste Redewendungen des japansiche Alltages laut vorzusprechen. Im digitalen Zeitalter gibt es ja auch wunderbare Channels, Blogs, Posts, Reels und was-weiß-ich-nicht-noch-alles, die den fernöstlichen Spracherwerb unterstützen. Leider muss ich sagen, dass es dabei eine Krux gibt. Nichts, aber auch so rein gar nichts in der japanischen Sprache kann man aus irgendeinem heimisch-europäischen Sprachkontext herleiten, um im übervollen Arbeitshirn die adoleszenten Memorirfähigkeiten wieder herzustellen. Geht nicht! Immer, wenn ich meine, irgendeine elegante japanische Redewendung lautsprachlich durchdrungen zu haben, ist das vorab gelernte wieder im gehirntechnischen Tohuwabohu durch mein synaptisches Netz gefallen. Da jedoch die ein oder andere kulturelle Feinheit im alltäglichen Japan, von einer sprachlichen Verbalisierung abhängt, führt kein Weg um diese Floskeln herum. Japan ist das Land der Höflichkeiten und neben der Tatsache, dass es bspw. genaueste Regeln für die Neigungswinkelung bei Verbeugungen gibt, hat die Höflichkeit hier auch einen anderen Stellenwert als in unseren Breiten. Jawohl - Höflichkeit 2.0 oder Höflichkeit - Next level! So gilt es beispielsweise als ein unbedingtes Muss, beim Erhalt eines bestellten Essens den Ausspruch "Itadakimas" zu tätigen. Übersetzt heißt das soviel wie, "Man bedankt sich bei allen, die an der Erstellung des Essens mitgewirkt haben!" Also vom Kobe-Rind bis hin zur Servicekraft. So alle halt. Der Fleischlieferant und der Gas-Lieferant werden ebenso bedacht, wie Koch und Bartender! Jawohl, wenn das kein Höflichkeit-Next level ist, weiß ich es auch nicht! Um jetzt dem Ganzen etwas Druck zu nehmen, hab ich mir gedacht, neben meinen Japanisch-für-Anfänger-Stunden, bemühe ich doch mal eine KI. Somit habe ich o.a. Begrüßungsvideo aufgenommen und es in die Zielsprache Japanisch "übersetzen" lassen. Stolz wie Oskar, versteht sich! Hört sich ja schließlich auch an, als hätte ich nie eine andere Sprache gesprochen als Japanisch! Aber - da man ja schon im Hinblick auf den Googleübersetzer auch immer noch ein kleines, aber feines Quentchen Mistrauen in die Autentizität der Übersetzung hat, habe ich meinen ersten Japanisch-KI-Text von einer einheimischen Fachfrau checken lassen . . . Was soll ich sagen, die KI Heygen nimmt auch noch Japanischstunden für Anfänger, so viel ist mal sicher!



