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Jaipur kann Kupfer und Leder . . .

  • Autorenbild: Ingo
    Ingo
  • vor 2 Tagen
  • 10 Min. Lesezeit

Depesche 08 - Jaipur - 2018




Im Frühdunst liegt der Palast der Winde vor uns. Wir haben im Wind View Café einen Platz auf dem Balkon bekommen, auf Augenhöhe mit dem Palast, wenn man so will. Die Sonne versucht sich träge durch die lockere Bewölkung zu schieben, auf der Hauptstraße, an der der kleine Palast liegt, beginnt sich Leben zu regen. Es sind schon gut 30 Grad Celsius und der Tag verspricht heiß zu werden.

   Bisher ist nur ein kleiner Touristenbus vorgefahren und hat 4-6 Spanier auf der Sightseeingdurchreise ausgespuckt. Die Fassade besteht aus unendlich vielen kleinen und großen Erkern, alle im typischen Rajasthan-Stil mit sehr tief gezogenen halbmondförmigen Vordächern, und einem Zwiebeltürmchen darauf. Die gesamte Fläche ist in einem fahlen Rot gestrichen und mit weißen Malereien verziert. Nicht zu vergessen, dass es 365 Fenster verschiedenster Größen gibt, die alle mittels eines hölzernen Blendladens zu verschließen sind. Die Fenster sind der Grund für die Namensgebung - wenn alle Blendläden geöffnet sind, pfeift der Wind durch das Innere und verbreitet eine angenehme Kühle. Natürlich war der Backs nur für Frauen gedacht und natürlich hatte niemand Zutritt, außer dem Hausherrn (dem Maharadscha von Jaipur). Also ein klassischer Harem, wie in tausend und eine Nacht.



Eigentlich war das Schlössken dafür gedacht, dass die Damen dem bunten Treiben bei Prozessionen und Umzügen beiwohnen konnten, ohne gesehen zu werden. Das bunte Treiben auf der Straße dürfte sich seit den Tagen der verhängten Palastmiezen nicht viel verändert haben. Kaum haben wir unser Stammgetränk, Sweet Lime Soda (selbstgemachte Limonade aus Limetten), da trottet schon der erste Elefant auf dem Weg zur Arbeit vorbei. Die Straße hat ein gehöriges Gefälle und ca. 200m vom Palast der Winde ist ein riesiger Kreisverkehr, unter dem gerade die U-Bahn gebaut wird. Also staut sich vor dem Palast der Winde bergauf der Verkehr. Übrigens sieht der Eingang für diese U-Bahnhaltestelle aus wie ein kleiner Hindutempel. Das können sie wirklich! Ein leicht asymmetrisches, etagenförmig sich hach oben hin verjüngend mit allerlei Reliefen und steinmetztechnischem Klimbim. Interessanterweise gibt es für den Eli ziemlich viele Lücken im Verkehr, denn wenn man so in seinem Tuktuk rumlungert und urplötzlich der Rüssel reinragt, von den Beinen ganz zu Schweigen, dann kann es schon mal zu einer unschönen Situation kommen. Wir haben im Verlauf unserer Tour schon hier und da mal ein zerbeultes Tuktuk auf



der Seite liegen sehen, das ist kein Spaß. Also fließt der Eli durch den Verkehr, wie eine Amöbe durch den Magen eines Indientouristen. Dann passieren die allgegenwärtigen Lastenfahrräder unsere Waldorf- und Stattlerloge. Meist werden sie in diesen Morgenstunden von zwei Mann geschoben. Gefühlt gibt es diesen Typ Fahrrad in jedem Land östlich von Afrika. Unverständlich für mich ist, dass diese Leezen nur einen Gang haben. Aber gut, der deutsche Optimierungswahn hat im Kopf schon drei Nachrüstsätze konzipiert und eingebaut, um die Plackerei zu vereinfachen. Aber so funktioniert Indien nicht, denn dadurch gibt es für ein Lastenfahrrad zwei Werktätige: den Fahrradbesitzer, der vorn tritt und lenkt und den Halbtagsangestellten, der fürs Schieben zuständig ist. Der indische Halbtagsschieber sozusagen. Damit halbiert sich die Arbeitslosenzahl im Lastenfahrradge- werbe. Natürlich spielt auch die Packmenge eine nicht unerhebliche Rolle. Mich würde interessieren, ob das Gewicht preislich mit eingerechnet wird, denn diese Drahtesel transportieren einfach alles, von Ziegen zu 100erten Eierkartons - mit oder ohne darin befindliche Eier über Porzellan (meist ca. 1 m bis 2 m hoch gepackt) bis hin zu Stahlträgern - kein Witz - die gut und gern 4m lang sind. Und das bei dem Verkehr. Die übrigen Verkehrsteilnehmer sind dem geneigten Leser ohnehin bekannt. An den Verkehrsknotenpunkten in der sogenannten Pink City wird gerade jeweils an den U-



Bahnschächten gebaut, was bedeutet, dass ab 8:10 Uhr alle Knotenpunkte völlig zu sind, außer wie erwähnt für Elefanten. Das Lastenfahrrad als solches wird jetzt in den Kreisverkehr geschoben und mit den Lastüberhängen ist das Chaos perfekt. Hupen reicht nicht mehr, jetzt kommt es zu handfesten Schreiereien, was natülich nix bringt, weil die Ladung einfach überhängt und wehe, das Lastenfahrrad wird von einem übereifrigen Tuktuk in die falsche Richtung gedrängt..... dann fangen nämlich in dieser Situation zwei Mann im stauigen Chaossystem zu rangieren an...



   Aber das belastet uns nur wenig, wahrnehmbar war das ganze Chaos eh nur als wütendes Stadtecho. Verstrahlt blicken wir auf die Fassade, die zum Niederknien schön ist und trinken noch Tee, gekühltes frisches Kokosnusswasser (sehr erfrischend) und unsere Seelen baumeln so in den Morgen. Auf der Straße gibt es immer wieder Kurioses, wie bspw. Tuktuks, die Schulkin-der zur Schule bringen. Dann hängen da ca. 10 Schultaschen außen dran und drinnen sitzt die ausgelassene Rasselbande und brüllt hinter allem und jedem her, natürlich in Schuluniform. So gegen 10 Uhr mehren sich die Touristenbusse; alle Nationen, alle Busgrößen und alle Klamottenstile der Welt. Besonders reizend sind hier die chinesischen Reisenden zu erwähnen: das rotgoldfarbene iPhone / iPad ist ein Muss! Dann haben die Damen Strohhüte auf, die ich eigentlich nur aus „Vom Winde verweht“ kenne, Modell Quäkerin - mit breiter Kinnbindung, die Männer kombinieren gerne Beatzkopfhöhrer mit Socken in der Überlebens-Tewa-Sandale mit Panzersohle. Spannend. Wie die Heuschrecken fallen sie über den Palast der Winde her und versprerren, in nur kurzen „picture point“ Intervallen den anderen Touristen die Sicht auf alles und jeden. Besondere Spezialität ist schmerzfrei in die Fotomotive der anderen reinzulatschen. Wie gesagt, Sightseeing ist nichts für Feiglinge. Aber neben ihrer etwas denkwürdigen Erscheinung und ihrer unfassbaren Distanzlosigkeit tun sie keinem was.


 

Lustigerweise ist dieses unglaublich entzückende Bauwerk für viele nur eine kurze Durchgangsstation, „Picturepoint, 20 Minutes“ schallt es immer wieder herüber. Das es so klingt wie „wolln Rose kaufen“ brauch ich wohl nicht mehr zu erwähnen. Dummerweise kann man die Fassade des Palastes von dort aus gar nicht visuell erfassen. Das Wind View Cafe liegt auf der anderen Straßenseite, auf dem Dach eines Schmuckge- schäftes, dass es vor gut 10 Jahren auch schon gab. So hat der Besitzer ein Café aufgestockt, von dem aus man einen tollen Blick auf die Fassade des Palastes hat. Für den Durchgangstouristen der gebuchten Rundumtour steht maximal ein Zeitfenster zur Verfügung, was nur einen Sprung auf die andere Straßenseite zulässt.

So hocken wir bestimmt 2 Stunden auf der Terrasse des Wind View Cafés und genießen den tollen Ausblick.

Wir haben uns heute übrigens freigenommen von allen touristischen Sightseeingzwängen. So verschieben wir den geballten Kulturoverkill und begeben uns freiwillig in ein anderes indisches System des organisierten Wahnsinns: Der Andenkenkauf!

   Während wir so völlig kulturlos auf dem Balkon des Wind View herumlungern, ich muss gestehen, dass meine Wade irgendwie nicht besser wird, hat die versammtelte Andenkenmafia die Tore geöffnet. Um den Palast der Winde, im Palast der Winde und um den Palast der Winde herum befinden sich die Geschäftszentren verschiedenster Andenkenproduzenten. Natürlich ist alles „typical jaipuri handcrafted art“! Natürlich, wer wäre denn auch so vermessen, die tibetanischen Gebetsfahnen und -masken nicht nach Jaipur zu lokalisieren! Also, ich muss doch sehr bitten. Außer in Jaipur scheint in keinem anderen Teil von Indien irgend- etwas produziert zu werden. Und natürlich wird alles ausnahmslos in kleinen feinen Studios hochwertigst in der Pink City hergestellt. Nun ja. Die Pink City heißt übrigens so, weil irgendein Maharadscha so genervt war von der schlechten Arbeit seiner Verputzer, dass er befahl, die miesen Putzflächen mit blasspuffrosa über zu pinseln, ebenfalls den Palast der Winde. Das nur am Rande



erwähnt. Daraus machen die Stadtväter heute per Marketing ein Qualitätssiegel. „Produced in the Pink City“. Jedes Basargebäude wird also in diesem Farbton gestrichen, der natürlich nichts von Pink hat, sondern eher ein verwaschenbes Ochsenblutrot ist, indem die Norweger üblicherweise ihre Holzbuden anpinseln. Aber gut, wie würde sich denn „Produced in the Oxblooded City“ anhören, und das im Land der heiligen Kühe? Nein, das geht nun wirklich nicht, denn die Kuhkomponente ist in diesem Land nicht zu unterschätzen. So gibt es typischen Jaipuri-Tee, auf dessen Verpackung Darjeelng-First Flush steht, Teppiche aus Nepal, Ledertaschen aus ganz Rajasthan und nicht zuletzt die Schal- und Bekleidungsindustrie. Alle Seide Indiens wird per Marketing in der Pink City produziert. Erstaunlich, wo hier doch gar kein Maulbeerbäumchen wachsen will. Aber, wer wird sich schon mit ein paar Nebensächlichkeiten aufhalten wollen? Von unserer verwindeten Loge lassen sich tolle Szenen der Jagd nach dem Tourismusdollar beobachten.  Lemon Juice gestärkt verlassen wird den Kaltgetränkehochstand und begeben uns ins Getümmel. Den angepriesenen Seidenschal-, Kashmir- und Wollausverkauf, „special prize, only for you“ lassen wir links liegen und begeben uns zu einem Shop mit feinsten Jaipuri-Lederwaren. Natürlich lassen wir uns nicht die Sachen zeigen, die uns wirklich interessieren. Nein wir lassen uns alles zeigen, das gesamte Sortiment, diskutieren jeden Preis, finden überall etwas auszusetzten. Ich sah sein Gesicht noch vor mir, als wir seinen Laden betraten, ja - es stand förmlich in seine Augen geschrieben: kurze Hose, Birkenstocklatschen, Kamera..... leichte Beute - eine



Fingerübung. Tja, in anderen Hälfte des Rings stehen 25 Jahre übelstes Basarschachern in allen Teilen der Welt. Aber das kann er nicht ahnen. Nach 25 Minuten ist er frustriert und handelstechnisch abgekämpft. Ich laufe gerade erst warm und überlege kurzfristig, ob ich den Teeverkäufer rufen soll, damit er in seiner Hälfte des Rings eine Erfrischung erhält. Habe Befürchtung, dass er schlapp macht, be-vor ich die Satteltasche für mein Motorrad habe. Es ist Zeit, seinem Ego wieder etwas Luft zu gönnen. Wir lassen uns eine kleine wunderschöne Umhängetasche zeigen, die Annis Herz mit Freude erfüllt hat. Er haut mir einen Preis um die Ohren, schaue ihn strafend über den Rand meiner Lesebrille an und schicke mich an den Laden zu verlassen. Was sage ich, den Laden verlassen, das Lederwarenschlachtfeld! Er hält mich zurück und halbiert, only 50%, ich drehe mich um und bin schon raus. Da passieren zwei Dinge gleichzeitig, erstens die Ledergeier kreisen schon von rechts und links, so dass er mir einen Preis nachruft, den wir als angemessen und des Produktes würdig erachte. Völlig unvorbereitet zeige ich auf meine zukünftige Motorradseitentasche für die R90 T. Das wirft ihn aus der Bahn, sodass er erschöpft meine Preisvorstellung akzeptiert und sich ans Verpacken macht. Inzwischen hatten sich bestimmt 20 Lederwarenmitbewerber eingefunden und erstaunt den blutigen Handelskrieg verfolgt. „Happy?“ fragt er mich. Ich nicke, darauf erwidert er, „dann bin ich auch glücklich“! “Das hättest du gleich haben können,” denke ich mir. Abschließend klopfe ich ihm auf die Schultern und gratuliere ihm zum guten Geschäft, was er dankbar mit einem Lächeln quittiert. Ohne weitere Handelsbelästigung der verblie- benen Lederwarengewerkschaft ziehen wir von dannen. Hier sei noch vermerkt, dass ich nicht versuche die 5€US$ Preisuntergrenze zu erreichen, sondern eine  preisliche Relation zwischen völlig überzogen und vernünftig. Bevor man mir in der Heimat Ausbeutung vorwirft und mich mit Mangos bewirft. Nach der Mittagspause - dann ist es in Jaipur so um die 34/35Grad Celsius gepaart mit 80% Luftfeuchtigkeit - ziehen wir auf den Kupfermarkt.



Vor Jahren hatte ich mir schon 24 Schüsselchen aus Kupfer im typischen Rajasthanstil mitgebracht. Außen Kupfer, innen Edelstahl, in lustiger orientalischer Schlüssellochform und ideal für Ofen oder zum Servieren. Da ich damals schon am oberen Limit des zulässigen Ge- samtgewichts für den Flieger war, musste ich leider auf größere Pötte verzichten. Die Geschäftswelt in Indien ist nach Gewerken und /oder Produkten systematisiert. Es gibt Straßenzüge, die nur Haushaltswaren anbieten, Gassen die den örtlichen Baumarkt beherbergen und Viertel, in denen nur Bambusgerüste gefertigt werden. Wenn etwas in Indien eingerüstet wird, werden die Bambusstangen immer von Hand mit Hanfseilen zusammengebunden bis in die höchste Etage, nebenbei erwähnt. Natürlich ist das nur als Aufstiegshilfe gedacht, Auflagen als Arbeitsfläche wird hier als unnötig empfunden. So hocken immer kleine schmächtige Inder in schwindelnder Höhe auf einem Bambuszweig und malochen am Bau. Vor meinem geistigen Auge sehe ich immer den netten Herrn von der Berufsgenossenschaft, der in der Schule immer so tolle Vorträge zur Sicherheit des Arbeitsumfeldes hält.





Vom Palast der Winde ist es einen Steinwurf weit zum Blumenmarkt. Der ist rund um den Circle angeordnet, dem Kreisverkehr, der zum Stadttor Nr. 7 leitet. Da aber der Circle ja Baustelle ist, sitzen die Blumenhändler mitten in der Baustelle. Der Verkehr der Baustelle und der „normale“ Straßenverkehr donnert nun hupenderweise im 10 cm-Abstand an den Lotosblüten, Rosenblüten, grellorangen Blütenketten für die tägliche Shivahymne im Tempel oder einfach ungeordnete Blütenmengen, um irgendjemandes Weg zu bestreuen. Zwischen den Blütenmeeren hocken die Parfümeure, mit ihren, in quadratischen Holzkästen angeordneten Probierfläschchen. Das hat sehr viel Charme, denn diese kleinen Fläschchen sind alle mit übergroßen Kristallimmitatstopfen verschlossen. In kleinen Glassbehältern stehen Glasstäbchen, Holzstäbchen und Wattepads. Parfüm anzupassen ist Männersache. Kurz nach der Mittags- pause beging ich den folgenschweren Fehler neben einem indischen Muffverkäufer mein Stativ aufzubauen, um das Verkehrschaos abzulichten, welches nur wenige cm entfernt tobte. Auf ein „Sir“ drehte ich meinen Kopf unvorsichtigerweise zur Seite und hatte - zack - schon die erste Probe „Jaipurer Nächte“ im Gesicht. Nun, Indien und seine Gerüche sind für die europäische Nase so eine Sache. Da wäre erst mal der permanente süßliche Modergeruch, der allen monsoongebeutelten Ländern im Osten anhaftet. Dann kommt noch eine gehörige Geruchsportion Unrat dazu und abgerundet wird das Ganze von diversen Einschlägen verschiedenster possierlicher Wesen, die der indische Subkontinent so beheimatet: Makaken (hab inzwischen rausgefunden wie man es schreibt!),




Gibbons, Kamele, Katzen, Hunde, Kühe (etwa 4,5 Mio rumlungernde zusätzliche Verkehrsteilnehmer und Stauverursacher) und vieles mehr. Also alles in allem eine gewaltige Portion für die Nasen des Reisenden. Aber daran gewöhnt man sich! Kein Witz! Aber das indische Parfüm als Solches kennt nur eine Nasennote, schwer. Der Gestank von dem Zeug hebt mich fast aus den Schuhen, anzusiedeln zwischen Seifenlauge und Moschusochsendrüse. „Don`t like? No Problem, Sir!“ und zack taucht er mit Ultraschallgeschwindigkeit sein Glasstäbchen in das nächste Gefäß und schwupp reibt er mir damit über die Wange. Dunkel erinnert mich diese Handlungsgeschwindigkeit an unseren Schlüpperdealer in Shimla. Bin der Ohnmacht nahe - zu Moschusdrüse und Seifenlauge gesellt sich das durchdringende Aroma von muffigen Rosenwasser. Noch während ich versuche wieder zu klaren Gedanken zu kommen, rührt er synchron in zwei Flacons und schickt sich an zum geruchstechnischen Nahkampf über zu gehen. Eine schnelle Rechts-Links-Kombination, Muhammed Ali wäre Stolz auf ihn gewesen und ich werde mit etwas eingerieben, was undefinierbar ist, denn alle Aromen zusammen ergeben, dass mein Geruchsnerv den Dienst verweigert und ich in eine kurze Phase des Delirium Tremens zu versinken drohe. „Which one you like?“ erwartungsvoll lächelt er mich an, er ist übrigens der gepflegteste Inder, der uns unterkam. Hält alle vier Glasstäbchen hoch und versucht heraus zu finden, welches meine Wahl sein wird. Aber bei Benutzung dieses Zeugs müsste ich vermutlich später der indischen Polizei Annikas Ableben erklären . . . Ich schüttel zu allen Proben den Kopf, er lächelt und reibt sich die Hände, denn in Indien bedeutet Kopfschütteln schlichtweg „Ja“. Den kulturellen Fauxpas lasse ich so stehen, denn bevor ich handeln kann erscheint Annika und hat - schwupp einen parfümgetränkten Wattebausch in der oberen Ohrmuschel. „Da hat man immer frischen Wind in der Nase“, so die Ausführungen des Duftbeauftragten. Nur schwer können wir uns loseisen, weil seine Geruchsprobierbude noch viel mehr zu bie-ten hat. Aber, wir lernen, wie man immer frischen Wind in der Nase hat, immerhin etwas!



Also flitzen wir mit frischem Wind in der Nase über den Baumarktbasar zu den Haushaltswaren. Es ist ein Kupferparadies und nicht die Preise zwingen uns zur küchentechnischen Enthaltsamkeit, sondern schlicht weg das Gewicht des Rucksacks. Leider gibt es hier keine amüsante Rubrik für den Indienreisenden, der Kupferschläger hockt hinter seinem Tresen, lässt die Auslage von einem Lakai, vielleicht ein Halbtagslastenfahrradschieber, präsentieren, nennt uns einen Preis und wir verlassen den Laden. Das quittiert er mit einem lässigen Achselzucken und reinigt weiter seine Zähne mit einem Zahnstocher, über den ich mich vor dem Abendessen auszulassen weigere. Dieser Vorgang wiederholt sich 3-4 Mal, schließlich liegt ja ein Kupferhändler neben dem Anderen. Aber im Verlauf dieser orientalischen Geschirrodysse bekommen wir ein Gefühl für den Touristenpreis und den Preis für die Inder. Irgendwann werden wir handelseinig und mit großen Tüten beladen begeben wir uns zurück zum Hotel, natürlich nicht ohne an allen Kupfereien vorbei zu gehen. Damit ist der gesamten Gilde klar, einer von ihnen ist eingeknickt und hat den Bleichgesichtern den indischen Preis gemacht. Ein bisschen erinnert mich diese Ladenzeile, die immerhin einen ganzen Straßenzug ein- nimmt, an Asterix bei den Avernern. An einer Stelle gibt es ein Bild auf dem viele gallische Geschäfte dargestellt sind, die alle Weine und Kohlen verkaufen. Auf Asterix Frage, „ob man sich denn da keine Konkurrenz mache?“, die lakonische Antwort „Wieso???“





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