Es regnet . . .
- Ingo

- 11. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
Depesche 24 - 10.08.2025 - Von Heda Port nach Odawara

In den frühen Morgenstunden werde ich von dicken Regentropfen geweckt. Im Gesicht. Die Erklärung dafür, ist ganz einfach. Bei allzu großer Stickigkeit lassen wir die Heckklappe des Bullis offen und spannen lediglich ein Mückennetz davor, da mit es des Nachts ordentlich Durchzug gibt. Hat aber auch den Nachteil, dass schräg fallender Regen sofort auf die, im hinteren Teil des Bullis befindliche Bettstatt trifft, genauer gesagt, mein darauf ruhendes Gesicht. Und nicht nur meins, auch dass von der besten Pottprinzessin der Welt wird umgehend benetzt. Mit einer unmittelbaren Geschwindigkeit, die seinerseits Nikki Lauda neidisch gemacht hätte, sind wir vom fliegenden Teppich wach und schließen die Tür. Es pladdert. Es pladdert richtig. Die Wetteränderung war auch so angekündigt, doch wir haben dem nicht so richtig Bedeutung beigemessen. In den vergangenen Wochen hatten wir fast immer irgendwie Sonne, obwohl permanent schlechtes Wetter angesagt war. Gut, wenn man jetzt mal die Vorhersagungsfehlerquote gegen den tatsächlichen Regen rechnet, musste es ja irgendwann einmal so kommen. Aber doch nicht heute. Wir wollen einen Strandtag einlegen, so viel ist mal sicher. Auch wenn der Sternenglanz von Izu als Urlaubsparadies bereits verglüht ist, so sieht das türkise Wasser doch sehr einlandend aus. Zumindest für den Teutonen, der eigentlich mit warmer 11 Grad Nordseetemperatur groß geworden ist. Aber es stürmt und regnet, buchstäblich Hunde und Katzen. Es ist natürlich piewarm dabei. Anni liest mir gerade vor, dass Japan den heißesten Juni und Juli seit der Aufzeichnung des Wetters hatte, was ich genauso unterschreiben würde. In Kyoto war meine Ventilatorweste kein Luxus, wenn ich das mal so erwähnen darf. 53.000 Menschen sind hier in den vergangenen Monaten bereits mit Hitzschlag ins Krankenhaus eingeliefert worden. Heute sind es nur 25 Grad, was uns etwas frösteln lässt. Es ist Sonntag morgen und wir düsen dann auch zeitnah los, denn von Heda Port einmal um Izu herum, sind etwa 210 Kilometer, bis zu unserem nächsten Michi no eki in Odawara.
Es regnet und stürmt. Die Küstenstraße ist förmlich an den Küstenhänge angeflanscht. Sie windet sich hoch und runter bis ins nächste Tal. Mal zweispurig, mal einspurig, mal tief im dschungelartigen Wald, mal mit grandiosem Blick, der leider auch völlig verregnet ist. Die Wolken hängen tief über den Gipfeln und der tosende Wind treibt sie gnadenlos durch die Baumkronen der bewaldeten Berge. Über der Straße hängen Zweige und Blätter tief herunter, schwer von der Benetzung durch den Regen. Mehr als einmal sinkt die Sicht unter 50 Meter und zu unserer großen Erleichterung sind die Japaner so früh noch nicht auf den Beinen. Kurve um Kurve, Dorf um Dorf hangeln wir uns nach Süden, die grandiose Natur der Küste immer im Blick. Zum Schwimmen ergibt sich einfach keine Gelegenheit und ich lege meine Hoffnung auf Shimoda, denn dort soll es einen Surfshop am Strand geben mit Dusche. Shimoda wurde uns immer wieder empfohlen, als ein süßes kleines Städtchen, was die komplizierte Anreise per Bus oder Bahn wohl wert sein soll. Wir passieren kleine heruntergekommene Häfen, deren mächtigen Betonwellenbrecher den böigen Winden und ruppigen Wellen des Pazifiks trotzen. Auch hier tauchen immer wieder leer stehende Hotelbauten auf, ganz im Stile der 70er Jahre, wie konservierte Gerippe einer goldenen Vergangenheit. Selbst wenn Izu wieder an Attraktivität für den heimischen Tourismus gewinnen würde, müsste man ganz schön investieren, um den Reisezeitgeist zu treffen. Einzig die Onsen sind beinahe überfüllt, zumindest, wenn man die gefüllten Parkplätze sieht.

In Shimoda herrscht dichtester Verkehr. Inzwischen scheinen alle Japaner aus dem Bett zu sein und sind irgendwie alle mit dem Auto auf der Halbinsel Izu unterwegs. So viel ist mal sicher. Direkt am Ortseingang von Shimoda liegt das Museum, denn die Stadt hat den zweifelhaften Ruhm, dass von hier aus, im März 1854 die Öffnung Japans erzwungen wurde. Der amerikanische Kapitän Matthew Perry landet mit seinem Kanonenboot, am 31. März 1854 vor dem Hafen von Shimoda und erzwingt die Handelsbeziehungen Japans mit den USA. Dadurch endet Japans 200 Jahre anhaltende Isolationshaltung gegenüber Fremden im Land. Der erste amerikanische Konsul in Japan, Townsend Harris, wohnt in Shimoda. Bereits 5 Jahre später wird der Hafen von Yokohama eröffnet und damit fällt Shimoda wieder in einen Dornröschenschlaf. Heute ist es ganz im Zeichen der Fischerei ausgerichtet. Dennoch gibt es eine kleine Hafenpromenade, Bahnhof, natürlich ein kleines Modell von Perrys Kanonenboot und jede Menge weißen Sandstrand. Schimoda liegt auf der östlichen Seite Izus, dort ist die Küstenlinie nicht so felsig und zerklüftet und daher scheint dort der Tourismus zumindest überlebt zu haben. Aber an einen Strandtag ist nicht zu denken, denn es pladdert in einer Tour. Schade, denn Shimodas Strände sind super schön. Da die Japaner Wochenende oder Ferien haben, wollen sie auch etwas davon haben und so drängen sich die Eltern regenbedingt unter Strandpavillons, während die Kids mit kleinen Surfboards im Wasser sind. Warm genug ist es ja - Wasser, wie Aussentemperatur.


Doch wir folgen der Küstenlinien weiter und benötigen ab Izu-City, über Ito in Richtung Mishima Stunde um Stunde, denn die Blechlawine wälzt sich in beide Richtungen und wir stehen überwiegend im Stau. In Ito scheint das Monaco der Halbinsel zu sein: große Marina mit langen weißen Segeljachten, hässliche Hochhausbauten ala Lloret de Mar, angepappt an die steilen Hänge. Buntes und glitzerndes Urlaubsflair manifestiert sich in hochpreisigen Shoppingmalls und mittleren Häuserschluchten. Einfach häßlich. Es gibt bestimmt Menschen, die dasfür ihren Urlaub toll finden, doch ich glaube, dass mir die westliche Küstenlinie Izus einfach mehr liegt. Allein die vom rauen Meer gezeichneten Felsenstellen selbst die berühmtesten Klippentore der Bretagne in den Schatten. Wir beschließen weiter zu fahren und für den kommenden Tag unser Programm zu ändern, denn der Regen soll in Sturm übergehen. Irgendwann kommen wir einmal wieder her und nehmen uns Zeit für Shimoda und seine Strände. Nebenbei gesagt, hat diese Reise zu keinem inneren Abschluss mit Japan geführt. Im Gegenteil, wir wollen auf jeden Fall noch einmal herkommen. Vereinfacht gesagt hat sich lediglich eine Tür für uns geöffnet, durch die wir einen kurzen, wenn auch intensiven Blick auf Japan werfen konnten. Bei der nächsten Reise, wollen wir tiefer eintauchen, so viel ist mal sicher.


Mit Einbruch der Dämmerung kommen wir auf unserem Michi no eki in Odawara an, der am Fuße des Fujis liegt. Nicht dass man den Berg im grauen Regenschleier der tiefhängenden Wolken sehen könnte, doch er ist da. Vielleicht scheint morgen ja doch die Sonne. Fragen über Fragen des Orients. Konbanwa folks!




