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Heute ein König . . .

  • Autorenbild: Ingo
    Ingo
  • 21. Juli
  • 6 Min. Lesezeit

Depesche 03 - 20.07.2025 - Von Düsseldorf nach Tokyo



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Uns steht ein junger Mann gegenüber, der trägt rote Schlappen. Und schwarze Kniestrümpfe. Nein, wirklich. Gut, im Zeitalter der Adilettenrenaissance in teutonischen In-Cafés, sollte das den weltgewandten Reisenden einfach nicht aus der Ruhe bringen. Was soll ich sagen. Es ist weniger die Farbigkeit, die mich ein wenig aus der ästhetischen Fassung bringt, vielmehr der Schriftzug, der mich schmunzeln läßt, wie er da erhaben und reliefartig, die breiten und gummierten Querriegel ziert, . . .

Um 05 Uhr steht ein gut gelaunter Taxifahrer vor der Haustür und ist Willens, uns nach Düsseldorf zum Flughafen zu kutschieren. Wir sind erledigt! Besser gesagt, völlig erledigt. Irgendwie war in den vergangenen Wochen recht viel los, sodass wir gar nicht richtig zu einem besinnlichen Packen gekommen sind. Mittwoch vergangenen Woche ging es schon los. Wir haben uns vorschriftsmäßig auf der offiziellen Visit-Japan-Web-Plattform angemeldet. Inzwischen wird hier der Pass per Handy gescannt und man muss nur noch seine Daten kontrollieren und - zack - wieder ein Land mehr, in dem wir völlig gläsern sind. Toll - komfortabel und erschreckend zugleich. Irgendwie hab ich so ein kleines, aber kaum zu ignorierendes Zucken im Genick. So datenmäßig. Auch die Frage, die sich so in den Tiefen meiner Magengrube als ein nervöves Ziehen manifestiert, spukt da irgendwo in meinem Verstand herum. Wo landen meine gescannten Passdaten noch, wer liest sie wohl freudestrahlend mit - in Moskau, Washington oder Beijing? Bevor sie rechtmäßig bei der japanischen Immigration gespeichert werden? Fragen über Fragen des Orients!


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Doch zurück zur passgenauen Scannung unserer Identitäten. Irgendwann meckert das offizielle Visit-Japan-Web mit Anni, so richtig! Check Passport Validity, steht da auf einmal auf dem Bildschirm. Aha, so so. Gültigkeit des Reisepasses wird in Frage gestellt? Lächerlich! Doch nicht etwa uns? Uns!? Also gut, wenn dieses lächerlich eingeschränkte System der Meinung ist, uns ultraerfahrenen Globetrotter mit so einer wichtigen Info den Tag versauen zu wollen, dann - Bitte schön, wir checken die Gültigkeit von Annis Reisedokument. Hm, so so - hmmmm. Die mehrmalige, mathematisch jetzt nicht so anspruchsvolle Rechnung ergibt tatsächlich, dass Annis Pass in 5 Monaten und 3 Wochen abläuft . . . Nicht wahr, wirklich nicht wahr! 4 Tage vor Abflug! Ok, keine Katastrophenszenarien jetzt! Ruhe bewahren und don´t panic! AHHHHHHHHHHHHH . . . Was soll ich sagen. Ist uns noch nie passiert. Lächerlich, uns Reisepros´. Also gut, das checken wir im Netz: Anni auf der Seite der Japanischen Botschaft, ich auf der Seite des bundesdeutschen Auswärtigen Amtes. Ergebnis: Bei den Japanern steht, dass der Pass bei Einreise mindestens 6 Monate Gültigkeit besitzen muss - hat er definitiv nicht - und bei den Deutschen steht nix davon. Gut, eine dritte Meinung muss her: In den Erläuterungen zu Visaerstellung der Japanischen Botschaft steht, das der Pass nur eine Gültigkeitsdauer für den Reisezeitraum haben muss??? Ok, eine vierte Meinung muss her . . . Inzwischen hat Anni sich aber am heimatlichen Bürgeramt einen Termin für den kommenden Tag um 09 Uhr morgens gemacht. Jetzt bin ich perplex, denn in meiner westfälischen Heimatmetropole wäre das gänzlich unmöglich. Lächerlich - „Haben Sie einen Termin?“ „Nein!“ „Nein?“ „Da kann ich Ihn en auch nicht helfen.“ So oder noch westfälisch-ruppiger wäre die Antwort gewesen. Doch im Ruhrgebiet ist man da noch Mensch und nicht nur städtischer Verwaltungsangestellter. Am folgenden Morgen hält Anni ihren vorläufigen Reisepass in Händen und im Visit-Japan-Web, lässt sich die Passnummer problemlos neu editieren. Was soll ich sagen . . .


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Der besinnliche Packvorgang, sonst mit Aperol, Rotwein oder gutem Kaffee, findet diesmal hektisch wenige Stunden vor Abflug statt. Irgendwie bleibt mein Herz stehen, denn meine Pottprinzessin hat da wohl schon mal vorsortiert und diese Gepäck-Vorauswahl füllt - gefühlt zumindest - eine olympisch dimensionierte Sprungrube. Irgendwie ist mir, als wären wir ein Jahr lang mit je zwei Shirts durch Asien und den vorderen Orient gefahren. Außerdem stehen da so viele Fläschchen und Tütchen, dass mir der Gedanken schwant, dass Anni eine DM-Filiale in Ueno zu eröffnen beabsichtigt. Fragen über Fragen des Orients . . . Was macht man als Mann in so einer Situation? Jeglicher gearteter Kommentar kann zu unangenehmen Zeitungsannoncen führen, wie „Frisch getrennter Mitfünfziger sucht neue Reisebegleitung“ oder dergleichen. Also wartet man ab und versucht den beziehungstechnischen Fussangeln geschickt aus dem Wege zu gehen, was aber natürlich meinem Geschlecht sämtliche soziale Raffinesse abverlangt, zu denen das analoge Gehirn eines mittelalten Höhlenmannes fähig ist. Also verschanze ich mich auf dem Bett und harre der Situation, wie die Griechen bei den Thermopylen - im Angesicht von 1.000.000 Perser - was ich, unter uns gesagt, als nicht annähernd so diffizil finde . . .


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Aber, hier muss ich jetzt eine Lanze für die beste aller Pottprinzessinnen brechen, denn am Ende war alles schnell gepackt, etliche Alternativ-Kollektionen wieder im Pax verstaut und der neue 90+10L Rucksack hat noch genügend Luft für ein ausgiebigen Shopping-Gang durch die Tokioer Konsumgemeinde. Also, vielleicht hat der Alltagsstress meinen sonst so präzisen Gepäckblick getrübt, wer weiß das schon! So, anschließend gehen wir nochmals eben unsere to-do-Liste durch: Punkt 1 - Reisekasse! Unmengen von japanischen Yen haben wir schon in diversen Reisebankfilialen zusammengeklaubt und der geneigte Leser kann sich gar nicht vorstellen, wie schwierig es inzwischen ist, bei der heimatlichen Bank so etwas exotisches, wie fremde Barwährung zu bekommen. Reisender, kommst du nach Japan, so habe möglichst viel Bargeld dabei, denn schon am Flughafen geht die elektronische Bezahlabzocke los - zumindest so der Tenor etlicher Reiseberichte, die wir vorher gelesen haben. Punkt 2 - Unterlagen zur Camping Van Mietung. Vielleicht hatte ich es noch nicht erwähnt, aber wir haben einen Van für mehrere Wochen gemietet, den wir bar bezahlen müssen. Beim Ausdruck aller Unterlagen viel uns dann ein - als es da so schwarz auf weiß vor uns lag, dass wir auch noch eine Kaution von 100.000 Yen hinterlegen müssen. Aha, so so. Da man das auch in Dollar oder Euro hinterlegen kann, sind wir dann noch mal eben los zu Geldautomaten . . . Inzwischen ist es 20 Uhr und - ehrlich gesagt - habe ich noch nie alle Vorbereitungen so auf den letzten Drücker gemacht, wie bei dieser Reise.


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Unser Taxifahrer ist eine Plaudertasche und da Anni vorn sitzt, bekommt sie ungefiltert das ganze Gesabbel ab - nettes Gesabbel - aber Gesabbel um 05 Uhr morgens, bleibt Gesabbel um 5 Uhr morgens. Als er uns erzählt, dass er eigentlich aus London kommt und immer in 5 Stunden vom Ruhrgebiet bis nach London fährt - inklusive Fähre von Calais nach Dover - inklusive (!) - brät er mit 180 Sachen über die 40, stetig auf die Frillendorfer Blitze zu. Immerhin bremst er rechtzeitig mit einem gewagten Manöver auf 80 Sachen runter, was einen alkoholisierten australischen Outbackpiloten neidisch machen würde, um dann schlingernd die Ausfahrt auf die 52, Richtung Düsseldorf zu nehmen. Wir überleben, mit etlichen Griffen zu den imaginären Spucktüten! Sah kurzfristig nicht so aus, doch wir kommen mit weichen Knien am Departure Terminal an. Auch ´ne Erfahrung, schon in tiefe Luftlöcher gestürzt, bevor der Flieger abgehoben hat. Ruckzuck ist das Gepäck aufgegeben, dank der neuen Selbstdruck-Technologie von Gebäckscheinen. Ist auch irgendwie irre, dass man Personal einspart und am Ende geht es viel schneller mit den Arbeitsvorgängen. Dieser Fakt läßt da noch reichlich Raum für Interpretation, wie ich finde . . .

Nach einem sonnigen und sonst ereignislosen Zubringerflug nach München, stehen wir jetzt dicht gedrängt im Zubringerbus auf dem Rollfeld und ich starre auf knallrote Plastikadiletten. Hier prangt reliefartig geschäumt und in weiß der Schriftzug - „Heute ein König“. Jetzt wir der ein oder andere geneigte Leser die Nase rümpfen und anmerken wollen, die Bewertung von Kleidung und so. Aha, so so. Stimmt, aber zwischen den ganzen Transitreisenden, als da junge aufgedonnerte Mädels mit dem obligatorischen „Bjuticäß“ oder die hippe On-Ear-Phone Fraktion und die exorbitant eingenebelte „Looi-Vuttong-Gäng“ wären, kommen da so bierroyale Kunststofflatschen eher ausgefallen daher. Aber, wenn das Motto „Heute ein König" ist, jeder nach seinem Belieben.

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Inzwischen sind wir schon seit Stunden in der Luft und eigentlich befinden wir uns schon auf japanischem Boden. Warum - tja, die Maschine von ANA - All Nippon Airways - ist derartig sauber, alle Saftschubsen sagen flüsternd Konichiwa und auf dem Klo gibt es eine - wenn auch abgespeckte - digitale Kommandozentrale für die verschiedensten Wasserfeatures. Ehrlicherweise habe ich mich noch nicht so richtig mit dem Hygieneschaltpult vertraut gemacht, doch der Flug ist ja noch lang. Durch einen glücklichen Zufall haben wir auf beiden Flügen einen Platz am Notausgang ergattert, sodass ich meine Gliedmaßen ungehemmt entfalten kann. Lustig war das Gesicht des Flugbegleiters, der uns auf unsere „Mithilfepflicht“ bei der Notlandung hinwies. Als ich fragte, ob es hilfreich sei, dass ich beim Militär war und schließlich wüßte, wie man Leute aus dem Flieger werfe, notfalls auch ohne Fallschirm, war er einen Moment verunsichert. So, nu hängen wir hier ausgestreckt in unseren Sitzen, haben mit Stäbchen bayrischen Kartoffelsalat mit Schwarzwälder Schinken, Schrimpsrührei und Reis mit Huhn gegessen. Das Bordentertainment ist sehr weitgefächert und neben uns ist Platz . . . Was soll ich sagen, „Heute ein König“! Bonne nuit, folks!


PS Internet ist ein bißchen lahm, daher ohne Korrekturlesung - mache ich morgen

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