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Happiness ist im Sonderangebot . . .

  • Autorenbild: Ingo
    Ingo
  • 23. Juli
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 24. Juli

Depesche 05 - 22.07.2025 - Von Narita nach Nikko



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Ich hab geschlafen wie ein Toter, sacht man halt so in Westfalen. Ich weiß, Tote schlafen nicht, doch mein nächtlichen Zustand kam dem sehr nahe, so viel ist mal sicher. Um kurz nach 11 Uhr erreichen wir gestern den Flughafen Narita, setzen uns vor den Eingang des Terminal Numero 2 und rufen unsere Van-Vermietung an. Alles läuft wie am Schnürchen. Wir sind noch halbwegs klar, auch wenn nach gut 20 Stunden Reise die Augen ihren Tribut einfordern. Leider ist unser Zimmer noch nicht bezugsfertig, sondern erst gegen 15 Uhr. Aha, so so. Abholen könne man uns auch erst gegen 13:30 Uhr. Somit vertreiben wir uns die Zeit mit der Beobachtung des sozialen Rahmenprogramms - hatte ich bereits heute morgen schon geschrieben. Um 13:20 Uhr erscheint unser Shuttle, mit genau dem Fahrzeug, was uns per Bild angekündigt wurde. Was soll ich sagen? Pünktlich und auch noch im Fahrzeug, das angekündigt war - super. Inzwischen ist es so heiß, dass mein Tshirt amtlich als Wasserspeicher durchgehen könnte. Japan Campers Headquarter liegt nur ein paar Minuten von Narita entfernt, sodass wir recht zeitnah an der Firma aufschlagen. Doch unsere Zimmer sind immer noch nicht fertig, was dazu führt, dass Anni und ich, jeweils auf einer ultraungemütlichen Holzbank einschlummeln, bis wir höflichst geweckt werden, unser Zimmer sei nun fertig. Was auch wieder nur ein „Aufrutschen“ in die immerhin klimatisierte Koch-/Wohneinheit des traditionellen Japanischen Hauses bedeutet. Wieder einen Schritt näher am Bett! Im Living Room ist es so herrlich kühl, dass ich mich schnurstracks auf den Teppichboden legen und in der herrliche AC-Kühle langsam abtrockne und nebenbei tief und fest schlafe . . .


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Die Übernachtung im Guesthouse von Japan Campers am Tage vor der Fahrzeugübernahme gehört zum unentgeltlichen Service der Firma. Man möchte halt, dass der Gast ausgeruht ist und sich auf den Verkehr konzentrieren kann. Dazu komme ich später. Das Haus hat die Schlafräume im Zentrum des Hauses liegen. Alle Räume sind durch hölzerne kassettierte Schiebetüren, auf denen man Reispapier geklebt hat, von einander getrennt und alle Zimmer haben Tatamimatten als Fußboden. Sehr schlicht und sehr schön. Umlaufend um die Räume ist ein Gang, der Zimmer von der Außenwand trennt. Der Boden ist dort mit dunklem, extremest glattpoliertem Holz ausgelegt. Natürlich ist das Tragen von Schuhen in den Räumlichkeiten ein Grund umgehend enthauptet zu werden, egal, wie nah man am Ausgang sitzt. Auf dem Bett habe ich tatsächlich wie ein Toter geschlafen. Traumlos, erholsam und von tiefem Schwarz umgeben bin ich schier endlos auf meinem fliegenden Teppich in Morpheus Armen gesegelt, aus denen er mich 9 Stunden später mit einem Lächeln entlässt. Als Einschlafmelodie fungierte ein Orchester aus unterschiedlichsten Zikaden, Insekten und Waldvögeln, denn der Firmensitz ist von hohem Bambus umgeben.


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Unser erstes Ziel in Japan ist Nikko. Ein verschlafenes Dorf im südlichen Teil des japanischen Hochlandes. Eigentlich ist Nikko nix los, wäre da nicht der Tosho-Gu. Das ist ein Schrein, der einem Shogun gewidmet ist - nicht irgendeinem, sondern DEM Shogun - Tokugawa Ieyasu. Aber ich greife wieder mal vor. Zunächst werden wir ausführlich in die Geheimnisse des Fahrzeugs eingewiesen, untersuchen bereits mögliche Kratzer und Beulen in der betagten Karosserie des Nissan Vans und unterfackeln alle Formularen.


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Als wir die Türen schließen empfängt uns köstlich Kühle der fahrzeugeigenen AC und das Abenteuer beginnt. Der geneigte Leser kann sich vorstellen, dass nach all unseren Abenteuern rund um den Globus das linksseitige Fahren nicht so das Problem ist - doch: Mit dem Lenkrad auf der rechten Seite, bekommen die lächerlichen Abmessungen (Der Van ist kürzer als unser Landy!) der Karre eine ganz andere Bedeutung! Gott ist das ungewohnt. Bin nach kürzester Zeit nass geschwitzt - trotz kühlster Kühlung - und in etwa so konzentriert wie bei meiner ersten Fahrstunde. Fazit: In der ersten halben Stunde dengel ich beinahe den linken Außenspiegel ab. Die Nissan-Karre hat glücklicherweise Automatik, doch halt alte japanische Automatik. Bergab sollten wir immer auf DRIVE 2 oder auf DRIVE 3 schalten. Aha so so. Da hat der Motor eine größere Selbstbremsung als in der normalen DRIVE-Einstellung. Aha, so so! „Die Bremsen würden recht schnell überhitzen“, so ein Zitat aus unserer Fahrzeugeinführung. Na ja, wir wollen ja schließlich durch die japanischen Alpen . . . „Die Bremsen würden recht schnell überhitzen“,höre ich da wieder eine leise Stimme in meinem Hinterkopf. Was soll ich sagen? Nach zwei Stunden läuft es. Wir ötteln mit 30/40/50 km/h über Land. In den Ortschaften ist meist 40 km/h die Obergrenze, in kleinen Dörfern 30 km/h und auf normalen Landstraßen darf man 50 km/h fahren. Auf größeren Landstraßen gerate ich förmlich in Geschwindigkeitsrausch, denn dort sind fulminante 60 km/h gestattet. Nun ja, tatsächlich sind wir recht glücklich über die krasse Geschwindigkeitsregulierung, denn die Landstraßen in Japan sind richtig eng. Aber so richtig! Kaum auszudenken, wenn man das so braten dürfte wie bei uns. Irre, hätte nie gedacht, dass ich bei der Geschwindigkeitsobergrenze von 50 Sachen schon Schweißperlen im Genick habe. Außerdem entschleunigt dieses fahrtechnische Prozedere gewaltig unsere gestressten Arbeitshirne. Also, nicht von Anfang an, aber - wie gesagt, nach zwei Stunden bin ich die Gelassenheit in Person! Jeder zweite teutonische Wagenlenker würde hier binnen Minuten zum Axtmörder werden, denn hier fährt man super korrekt und auch super gelassen . . .


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Nach Nikko geht es erst einmal durch die Reiskammer des Kanto. Der Kanto ist ein Regierungsbezirk, der aus unzähligen Präfekturen (Verwaltungsbezirken) besteht. Gemütlich trudeln wir durch kleine, extremst saubere und gepflegte Dörfer. Häuser mit japanischen Spitzdächern im traditionellen Stil gibt es haufenweise, mehr als wir es erwartet haben. Immer wieder durchfahren wir Provinzstädte, die, zwar mit großen Golfanlagen versehen, doch eher langweilig anonym daherkommen. Doch in den keinen Siedlungen, tief eingebettet in sattgrüne Reisfelder, herrscht völlige Ruhe und scheinbar tiefer Frieden. Unsere Reisegeschwindigkeit beträgt 4,5 Stunden für 160 Kilometer. Das kommt daher, dass man als Autofahrer vor fast allem anhalten muss, also Fahrzeugstillstand. Vor Stop-Schildern, Zebrastreifen, Bahnübergängen jeder Art und zusätzlich haben Fußgänger, Radfahrer und Motorradfahrer immer Vorfahrt - egal, wie die Verkehrslage gerade ist! Wie gesagt, gemütlich! Einmal schrecken wir richtig hoch, denn auf der Fahrbahn liegt eine achtlos weggeworfene Coladose. Oh Gott, der Anfang vom Ende! Zumindest hier in Japan. Es ist kein Witz - diese Getränkedose ist der erste Müll, den wir im öffentliche Raum gesehen haben! Für hiesige Verhältnisse der schiere Sittenverfall, so viel ist mal sicher!


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Nikko liegt am Fuße der japanischen Highlands, auf gut 600 Metern nn. Der eigentliche National Park hat aber schon Höhen um 2000 Metern über nn. Tatsächlich ist es hier etwas kühler, nur noch 32 Grad, doch die Luftfeuchtigkeit ist unverändert hoch. Wir beziehen Quartier auf einem riesigen, aber auch ausgestorben wirkendem Campingplatz, nördlich der Stadt. Ist ja Regenzeit und dasher auch keine Saison. Für gewöhnlich kommen die internationalen Touristen als Tagestrip von Tokyo nach Nikko und sind am Ende des Tages wieder verschwunden. Der Campingplatz ist riesig, super gepflegt und kostet uns für zwei Nächte grad mal 30 €. Nun beginnt das eigentlich Abenteuer: Wo man in Tokyo noch Glück hat und vielleicht den ein oder anderen Menschen trifft der rudimentäres Englisch spricht, tendiert das hier auf dem Land gegen Null. Eher noch im Minusbereich. Dennoch versuchen wir unser Glück in einem großen Supermarkt. Dieser entpuppt sich als riesige japanische DM-Filiale, mit zusätzlicher Lebensmittelabteilung. Hier geht nur noch Japanisch. Was aber auch ein gewisses Sprachtraining unsererseits mit sich bringt. Hier gibt es übrigens die wirklich wichtigen Dinge, die ein Japaner so benötigt, bspw. 4 Liter Plastikflaschen Jim Beam oder auch Suntory Whiskey in selbiger Gebindegröße. Suntory ist übrigens einer der größten Whiskey-Produzenten der Welt, nur mal so angemerkt. Der Firma gehören nämlich fast alle großen schottischen Whiskey-Marken - inzwischen! Aber Suntory ist hier omnipräsent, denn die stellen jedwede Form von hartem Sprit her, den man sich vorstellen kann.

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Doch wir benötigen ein Abendessen. Japaner sind einfach großartig organisiert - man bekommt hier frische Ramennudeln und die verschiedensten frischen Zutaten, die man für jede Ramenart benötigt! Großartig. Außerdem brauchen wir ein Waschmittel. In Indonesien schwöre ich ja auf Pink Romance, doch hier gibt es Happiness. Und - Happiness gibts als Sonderangebot! Nun ja, warum auch nicht, denn schließlich sind wir wieder mal in einem buddhistischen Land. In Anbetracht der Vielzahl an Schreinen, wundert es kaum das Glückseligkeit hier im Sonderangebot zu bekommen ist. Wer weiß das schon. Fragen über Fragen des Orients! Bonne nuit, folks - Äh, ne - das heißt hier Konbanwa, folks!


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